Mittagsstunde von Dörte Hansen
von Silke Richter
Penguin-Verlag ISBN 978-3-328-600039
Das zweite Buch dieser Autorin lag schon eine ganze Weile auf meinem Büchertisch. Noch eingeschweißt in Folie- ich wollte es in einem schönen ruhigen Augenblick genießen. Schon beim ersten Buch von Dörte Hansen „Zeit der Kirschen“ habe ich mich in diesen wunderbaren entspannten Schreibstil verliebt.
Auch in der „Mittagsstunde“ liest man sich leicht und locker (jedoch niemals seicht und trivial!) in eine Geschichte rund um das Geestdorf Brinkebüll, hoch oben im Norden von Deutschland. Wir begleiten Ingwer Feddersen, der zurück in sein Heimatdorf fährt. Er nimmt ein Jahr Auszeit, um sich um die beiden (liebevoll genannt) „Alten“, und um deren Gasthof in Brinkebüll zu kümmern.
Ingwer erzählt uns in vielen Episoden von seiner Familie, von seiner Kindheit und von der Geschichte des kleinen Dorfes. Wir erfahren viel über die Dorfbewohner und wie sich im Laufe der Zeit alles ändert und manche Dinge einfach immer gleich bleiben. Und wir begleiten Ingwer in seinem hier und jetzt- auch da läuft nicht alles rund. Als fast 50-ziger wird ihm klar, dass er für sein Glück selber verantwortlich ist und dass die Zeit zum Handeln gekommen ist.
Dörte Hansen nimmt uns mit durch die Jahrzehnte auf dem Land. Das Dorfleben, die Gemeinschaft der Menschen und deren Macken und Eigenheiten. Nicht alles war früher besser, vieles aber auch nicht schlechter. Und einiges war einfach nur anders. Was fehlt uns heute, was könnte man denn wieder „reaktivieren“. Wie viele schöne und auch traurige Geschichten schreibt das Leben. Was zeichnet uns als Gemeinschaft aus und wo ist unser Platz im Dorf, in der Stadt – halt im Leben.
Dörte Hansen versteht es ausgezeichnet Bilder im Kopf zu projizieren. Mittagsstunde war für mich wie ein Kinofilm- die Dorfstraßen, die Schule, der Lehrer, die Kinder und der Dorfladen. Man sieht sich in Brinkebüll und läuft als stiller Beobachter mit durch die Felder. Besonders schön finde ich, dass einige Gespräche und Aussagen auf Platt geschrieben sind. Auch wenn man den Dialekt überhaupt nicht spricht, so bilden diese Passagen noch einmal eine besondere Farbe in diesem zauberhaften Buch.
Wer gerne in eine vergangene Zeit reisen möchte, wer das Land liebt und wer Familiengeschichten mag- der sollte „Mittagsstunde“ lesen. Von mir volle Punktzahl an
Dörte Hansen für dieses schöne Buch.