Ein Diktator zum Dessert
von Silke Richter
Ein Diktator zum Dessert
Franz Oliver Giesbert
ISBN 978-3328100607
Das Buch hat mich ein bisschen an die Geschichte vom „Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ erinnert. Der Stil und die Aneinanderreihung von Erlebnissen ähneln sich. Auch Rose hat die magischen 100 Lebensjahre überschritten und die Frau ist äußerst lebendig und putzmunter und agil.
Mit nun 105 Jahren beschließt Rose ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben. Sie nimmt uns mit durch die Jahrzehnte und ihre unglaublichen Erlebnisse. Irgendwie hat Rose dabei das Talent, auf ziemlich miese Charakterköpfe zu treffen. Schon in ihrer Kindheit erlebt sie härteste Bedingungen. Als Leser erträgt man dabei grausame Momente. Die Episode ihrer Flucht nach Marseille war heftig und nur mühsam bin ich die Bilder von der Fahrt auf dem Eselskarren wieder los geworden.
Rose kann drei Sachen perfekt. Kochen, Leben und Hassen. Und Rose weiß, dass einzig die Rache ihr Erlösung bringt. Mehr als einmal schreitet Rose dann auch zur Tat. Ob das nun richtig oder falsch ist- das wird wohl jeder Leser mit sich selber ausmachen, ich bin mir sicher, auch ihr werdet in ein Gefühlschaos kommen.
Rose ist wie ein Stehaufmännchen, dank ihrer Lebensfreude und ihren Kochkünsten kommt sie durchs Leben und lernt viele Menschen kennen. Dabei sind wunderbare Menschen und einige, die wohl niemand wirklich in seinem Umfeld braucht. Doch in jedem Lebensabschnitt trifft sie auch auf das Glück, das manchmal zu perfekt erscheint. Oft entgleitet ihr das Glück sehr schmerzhaft. Doch Rose verlernt nicht zu Lieben- und auch Liebe zu schenken. Eine unglaubliche Frau. Sie verharrt nicht in der Vergangenheit, doch sie lernt daraus und blickt in die Zukunft- und ab und an muss Sie aufräumen, denn bei Rose gehört die Rache zum Leben.
Wir erleben mit Rose viele Abgründe der Menschen, nett verpackt in ihre eigenen Erlebnisse. Sie ist hautnah dabei, wenn mal wieder ein verrückter Diktator ein Land „reinigt“ und ganze Menschengruppen grausam vertreibt, verhungern lässt oder einfach vernichtet. Dabei verallgemeinert Rose nichts, es gibt immer Namen, Personen und die Schicksale bekommen Gesichter. Dadurch wird „Geschichte“ einprägsam. Mit der Erzählung von Rose, erlebt man das Geschehen wie als Zuschauer. Besser als jeder Geschichtsunterricht. Oder was weißt du über die Vertreibung der Armenier? Oder was Mao in China dem Volk angetan hat? Ja, Rose kommt ganz schön rum in der Welt.
Das Buch ist von Franz Oliver Giesbert ist aus der Sicht von Rose geschrieben. Mehr als einmal habe ich mich gefragt, ob das jetzt tatsächlich ein Mann geschrieben hat. Wenn Rose über ihr Liebesleben erzählt- und das tut sie oft und leidenschaftlich gerne- dann erscheinen mir die Worte und ihre Gedanken sehr weiblich. Also vielleicht hat Herr Giesbert eine sehr gute Lektorin, eine Co-Writerin oder er ist tatsächlich ein Frauenversteher